Studie: Bundesbürger hadern mit der digitalen Verwaltung

78 Prozent der Deutschen möchten sämtliche wichtige Behördengänge gerne online oder mobil am Smartphone erledigen. Mehr als die Hälfte wünscht sich beispielsweise, Dokumente wie den Personalausweis online beantragen zu können. Jeder Dritte will seine steuerlichen Angelegenheiten über das Internet regeln und fällige Beträge auf diesem Wege gleich bezahlen. Bereits bestehende Angebote, zu denen auch die elektronische Steuererklärung Elster gehört, kommen allerdings schlecht weg. Viele empfinden die digitalen Dienste der Verwaltung als wenig fortschrittlich und schwierig zu bedienen. Zu diesem Ergebnis kommt das „Digital Government Barometer 2019“ von Sopra Steria, das das Unternehmen heute im Rahmen des GovTech Summit in Paris vorstellt. 999 Bundesbürger wurden dafür befragt.

Besonders schlecht schneiden in den Augen der Bürgerinnen und Bürger Polizei und Justiz ab, wenn es darum geht, Gebühren zu bezahlen oder Anzeigen über das Internet zu erstatten. Nur 26 Prozent sind damit zufrieden. Bessere Digitalzugänge wünschen sich die Deutschen auch bei der Arbeitssuche. Mit 28 Prozent liegt die Zufriedenheit auf einem ähnlich niedrigen Niveau wie bei Justiz und Polizei. Bei Gesundheit und sozialer Absicherung sieht es etwas besser aus. Jeder dritte beziehungsweise knapp 40 Prozent der Bürger zeigen sich zufrieden mit den digitalen Zugängen. Doch auch die Dienstleistungen der am besten bewerteten Bereiche Steuern und Beurkunden können kaum die Hälfte der Befragten überzeugen. Das muss allerdings nicht immer an einer schlechten Umsetzung liegen. „Manche Behörden verkaufen ihre digitalen Angebote unter Wert“, sagt Ulf Glöckner, Experte für digitale Verwaltung bei Sopra Steria Consulting. „Viele offizielle Stellen könnten viel selbstbewusster auftreten.“

Der Experte verweist neben Elster, das sowohl Privatpersonen wie auch selbständigen Unternehmen sehr viel Arbeit durch die digitale Steuererklärung abnimmt, auch auf die online gut funktionierende Terminvergabe in vielen Ämtern. Manche der Internetangebote würden die Bürger zudem gar nicht richtig wahrnehmen. Fast die Hälfte stimmt etwa der Aussage zu, dass über das Netz generell zu wenig erreicht werden kann. Damit liegt die Zahl der Skeptiker in Deutschland fast doppelt so hoch wie in Großbritannien, Frankreich oder Norwegen. In Italien und Spanien zeigen sich mit rund einem Drittel ebenfalls deutlich weniger Einwohner als hierzulande reserviert gegenüber den Möglichkeiten einer digitalisierten Verwaltung. Ulf Glöckner von Sopra Steria Consulting rät den deutschen Behörden deshalb, viel offensiver über digitale Angebote zu sprechen und die Bürgerinnen und Bürger aktiver als bislang auf die Online-Dienste hinzuweisen. „Viele Menschen werden überrascht sein, was heute schon alles online klappt“, so der Fachmann.

Neben mehr Transparenz sind jedoch auch eine bessere Vernetzung und ein konsequenter Kundenfokus notwendig, um den digitalen Angeboten der Verwaltung zum Durchbruch zu verhelfen. In der Praxis müssen die Bürger trotz teilweise exzellent ausgebauter Digitaldienste viele verschiedene Zugänge verwalten oder lange nach den digitalen Kontaktpunkten suchen. 85 Prozent wünschen sich jedoch, über ein einziges Portal mit der Verwaltung in Kontakt treten zu können und dort sämtliche Anliegen an zentraler Stelle zu erledigen. Darauf müssen die Bürgerinnen und Bürger möglicherweise nicht mehr lange warten: „Die Arbeiten am Portalverbund der Behörden sind längst gestartet, es liegt aber noch sehr viel Arbeit vor den Behörden“, sagt Ulf Glöckner von Sopra Steria Consulting. Das Unternehmen unterstützt unter anderem die Arbeiten rund um den Portalverbund als einer der zentralen Rahmenvertragspartner des Bundes.

Perspektivisch kann auf dieser Plattform auch der jeweils aktuelle Status zu laufenden Vorgängen abgebildet werden sowie eine Übersicht darüber, wie lange Ausweis und Reisepass noch gültig sind und welche Behördengänge als Nächstes anstehen. Der Portalverbund trifft den Nerv der Bürger: 84 Prozent wären von so einem Angebot geradezu begeistert. Damit das erfolgreich eingeführt werden kann, müssen sich die Behörden auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene noch stärker vernetzen und Daten über die föderalen Ebenen hinweg austauschen. „Mit dem Programm Digitale Verwaltung 2020 hat die Bundesregierung das Ziel ausgegeben, behördliche Leistungen durchgängig digital und medienbruchfrei zu erbringen“, erklärt Digital-Experte Ulf Glöckner. „Wir müssen langfristig trotz der föderalen Zuständigkeiten in Deutschland für einen möglichst ungehinderten Informationsfluss zwischen Bürgern und Behörden sorgen.“

Über die Studie:
Das „Digital Government Barometer 2019“ fasst die Ergebnisse einer repräsentativen Online-Befragung von mehr als 6.000 Bürgern in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien und Norwegen zusammen. Die Teilnehmer wurden im Auftrag von Sopra Steria im September 2019 nach den Vorgaben des internationalen Standards ISO 20252 für Markt-, Meinungs- und Sozialforschung befragt.

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