Über die Inhalte der Konferenz berichtet kontiki Folgendes:
In seiner Begrüßung sprach Horst Stammler, Vorsitzender Kontiki, die besondere Rolle von Mainz als Integrator verschiedener Modi des ÖPV an. Als Überraschungsgast konnte er Sven Hieronymus, einen besonderen Vertreter der Stadt Mainz, begrüßen, nach dessen Vortrag die Facharbeit in einer angenehm heiteren Stimmung begann.
Jörg Puzicha, Rhein-Main-Verkehrsverbund Service GmbH, legte den Schwerpunkt seines Vortrages auf die Integrationsaufgaben innerhalb eines Verkehrsverbundes. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund plant bis 2020 die Entwicklung des hybriden Ticketing bis zur Ausbaustufe Be-In/Be-Out (BIBO). Das grundlegende Ziel „Einsteigen und Losfahren“ ist verbundweit medienunabhängig zu realisieren. Im Spannungsfeld vielfältiger Entwicklungen muss der ÖPNV ständig navigieren, um keinen „Flickenteppich“ entstehen zu lassen. Die organisatorischen Herausforderungen eines zielgerichteten Zusammenwirkens von Verbund, lokaler Nahverkehrsgesellschaft (LNG) und Verkehrsunternehmen sind nicht allein durch technische Veränderungen zu bewältigen, sondern erfordern ein hohes Maß an fachlicher Qualifikation, Change-Management und auch politische Maßnahmen.
Die EFM-Roadmap des RMV erstreckt sich über alle drei Stufen des VDV KA-Modells. Hervorzuheben sind die Integration mobilitätsnaher Services, die Nutzung des ÖPV ohne Tarifkenntnisse und der räumlich und zeitlich uneingeschränkte Ticketerwerb. Die Effizienzsteigerung des Fahrscheinvertriebs, die Beschleunigung des Fahrgastflusses und die Optimierung der Fahrgeldsicherung sind weitere Vorteile. Der RMV beginnt mit der Stufe 2 des EFM und wird schrittweise in die Stufe 3 migrieren. Das bedeutet, dass bis 2020 ein Hybrid-System aus Stufe 2 und Stufe 3 angewendet wird. Bis heute ist u.a. ein EFM-System mit mandantenfähigem, verbundweitem Hintergrundsystem und einem integrierten Online-Vertriebsportal erreicht. Die Vision 2020: »Einsteigen und Losfahren« wird die Arbeit weiterhin bestimmen.
Michael Kluger, HOLM (House of Logistics and Mobility Flughafen Frankfurt), zeigte in seinem Vortrag die Bedeutung der integrativen Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen aus Logistik und Mobilität, die zur Grundlage von HOLM gemacht wurde. Die Idee einer Plattform, um Wissen zu bündeln, zu entwickeln und zu kommunizieren ist mit HOLM realisiert worden. Unter sehr günstigen Arbeitsbedingungen in einem neu errichteten Gebäude in Gateway Gardens am Flughafen Frankfurt kann das HOLM Netzwerkaktivitäten und Wissensmanagement in Mobilität und Logistik bestens koordinieren. Die Vernetzung von Konzepten, Nutzern und Technologien führt zu einer wesentlichen Innovationsförderung im Rahmen der Erforschung und Entwicklung integrierter, sicherer und nachhaltiger Logistik- und Mobilitätslösungen entlang der Wertekette.
Die eTicket Deutschland News, traditionsgemäß von Sjef Janssen, VDV-KA, vorgetragen, begannen mit dem neuen Firmennamen VDV eTicket Service GmbH & Co. KG, kurz ETS. Dann folgte die eTicket-Landkarte mit eTicketing im Wirkbetrieb, im Bau und in Planung, z.Z. bestehen über 250 Verträge, ca. 10 Mio. Karten sind im Einsatz. Die Smartphone-Strategie hat das Ziel, mit IPSI das Smartphone-Ticketing in Deutschland zu vernetzen. Die Zusammenhänge von Vertrieb, Tarif, Fahrplan und Multimodalität werden analysiert und Lösungsbausteine definiert.
Weiteres Thema:
Die Zertifizierung, die Interoperabilität unterschiedlicher Hersteller garantiert, ebenso wie u.a. Funktionssicherheit, Kostenreduzierung und Verringerung der Realisierungszeiten. Das Seminarprogramm der ETS richtet sich an Techniker, Projektleiter, Tarifspezialisten, Berater und Hersteller.
Dr. Michael Schlick, Bosch Software Innovations, stellte dar, dass schon 2015 75 % der Weltbevölkerung vernetzt sein werden und etwa 6,7 Mrd. stationäre und mobile Geräte (Server, Desktops und Laptops) nutzen. Das macht die Schaffung einer Plattform für Dienstleistungen, speziell im Mobilitätsbereich, notwendig. So können Services für die Anwendungsfelder Elektromobilität vernetzte Fahrzeuge (Connected Vehicle) und intermodalen Verkehr, Services für vernetzte Verkehrsmittel und vernetzte Infrastruktur und Services für Mobilitätsanbieter und –Nutzer entwickelt werden. Die bereits vorhandene Lösung ist Bestandteil des Projekts Stuttgart Services.
Die Stuttgarter ServiceCard ist ein einheitliches Zugangsmedium für Elektromobilität, ÖPNV, Bücherei, Schwimmbäder und vereinfacht die Wahl des Verkehrsmittels. Voraussetzung für diese B2B-Anwendung ist ein hohes Maß an Standardisierung. Dr. Schlick beschrieb im Detail die Struktur des Systems mit der Funktionalität Service-Vermittlung und die Vernetzung mit Contracting und Roaming. Ein besonderes Augenmerk ist in dem Konzept auf die Problematik der „eigenen“ Daten zu richten. Hier kann ein großes Konfliktpotential liegen, da der Datenaustausch zwischen u. U. konkurrierenden Partnern betroffen ist.
Das System wurde anhand von Informationsplattform, Buchungsplattform und Parken & Laden erläutert. Eine Reihe von Dienstleistungen verlangt eine Regionalisierung. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nur offene Systeme Gestaltungsmöglichkeiten für Regionen, Städte, deren Bürger und Gäste bieten.
Wichtig ist eine freie Contracting-Ebene, um verschiedene Angebote dynamisch gestalten und regional ausprägen zu können. Die Lösung ist übertragbar auf weitere Regionen.
Karin Loidl, Fraunhofer IIS, zeigte auf, wie durch die Integration von „Seamless Positioning im ÖV“ eine Möglichkeit eröffnet wird, alle Verkehrsmodi zu unterstützen. Mit einer nahtlosen, durchgängigen Lokalisierung und Führung der Verkehrsteilnehmer wird z. B. Fußgängern von/zur Haltestelle, in den ÖV-Verkehrsmitteln (z.B. Bus/Tram/U-Bahn), sowie innerhalb komplexer Umsteigepunkte (z.B. Hauptbahnhof) im Gebäude und am Bahnsteig Orientierungshilfe geboten. Das Projekt NADINE integriert die Navigation im ÖPV mit modularer Dienste-Architektur zur Einbindung in externe Applikationen. Die Lokalisierung in NADINE umfasst Fußwege von/zu Haltestellen, Lokalisierung in Bus/Tram/U-Bahn, Lokalisierung in Umsteigeobjekten und die Verkehrsmittelerkennung. Umgesetzt ist diese Lokalisierung für Hauptbahnhof Nürnberg und die fußläufige Innenstadt. Loidl stellte einige Kategorien der Bewegungsklassifikation und ihren Erkennungsgrad vor. NADINE wird im Oktober 2015 in den Dauerbetrieb gehen.
Mit DIMIS − Durchgängiges Intermodales MobilitätsInformationsSystem – wird das bestehende ÖV-Navigations- und Informationssystem dahingehend erweitert, dass die Nutzer auf ihrer gesamten Wegekette individuell mit Informationen unterstützt und begleitet werden. Zusätzlich zu den Lokalisierungstechnologien von NADINE werden hier eingesetzt: Richtantennen auf Bahnsteigen, Relative Ortung Bahnsteig – Zug, Nutzung der WLAN Infrastruktur im ICE. Für einen funktionsgerechten Betrieb von DIMIS ist ein Ausbau der Infrastruktur auf Bahnhöfen erforderlich.
Mit ways4me, einem Navigationssystem für Blinde, wird eine barrierefreie Mobilität im ÖPNV ermöglicht. Das Projekt soll im September 2014 abgeschlossen werden.
Reiner Dölger, Innenministerium Rheinland-Pfalz, berichtete, dass DELFI entwickelt wurde, um das große Bedürfnis der Kunden nach fahrtbezogenen Informationen zu befriedigen. Der heutige Tarifdschungel und die nur teilweise vorhandene Informationsintegration haben die DELFI-Partner veranlasst, eine Kooperation zu bilden, die sich insgesamt um das Thema Fahrgastinformation kümmert. Die Integration von multimodalen und multifunktionalen Anwendungen in DELFI ist unumgänglich. Folgende Ziele müssen erreicht werden: Hohe Performanz, sehr hohe Verfügbarkeit, maximale Aktualität, Erweiterung der Funktionalität, Einsatzmöglichkeiten auf Plattformen Dritter, Standardisierung. DELFI kann Dienstleister für andere Auskunftssysteme sein. Ein wesentlicher Schritt ist mit DELFIplus getan: Bis Ende 2014 sollen Marktausrichtung, IT-Architektur, Qualitätsfragen und Organisation gelöst sein.
Thomas Giemula, BMVI, führte aus, dass DELFIplus ein wesentlicher Baustein der Servicekette werden muss. Die durchgängige Fahrplanauskunft muss auch alle Informationen für eine barrierefreie Mobilität liefern. Eine umfangreiche Haltestellen-Information ist dafür ebenso erforderlich wie umfassende Fahrzeuginformationen und Informationen über die Wegeelemente. Giemula zeigte am Beispiel einer Auskunft, wie die Elemente zusammengeführt eine Wegekette beschreiben.
In der Projektgliederung zeigte Giemula die Stufen des Projekts auf. Eine Kooperationsebene für intelligente Verkehrssysteme (IVS) im Sinne der ÖV-IVS Rahmenarchitektur wird geschaffen. Das Projektende ist für Mitte 2015 geplant.
Bernd Pieper, KCEFM, präsentierte das Open Source Produkt eTicketpvmanager. Pieper machte deutlich, dass ohne die Funktionalität „PV-System“ kein KA-konformes EFM-System betrieben werden kann [kein Sperren, kein Monitoring]. Am Rollenmodell der VDV-KA und an Auszügen aus dem Datenfluss-Schema des EFM zeigte er die Bedeutung des PVS. Der eTicketpvmanager realisiert technisch die Rolle des Produktverantwortlichen in der VDV-Kernapplikation. Aus Zeit- und Kostengründen wurde der eTicketpvmanager als Open Source entwickelt. Der Funktionsumfang entspricht in allen wesentlichen Punkten dem PV-System der VDV-KA. Pieper stellte die Bedienung dar, die kurz gefasst im Datenrouting, Konfiguration KOSE und Sperrbearbeitung, Monitoring, Anzeige POB/PEB/WEB-Nutzungen im Wesentlichen automatisch erfolgen. Der Funktionsumfang des eTicketpvmanager wird laufend weiterentwickelt. Höchste Priorität hat dabei die Einbindung der Produkt- und Kontrollmodule.
Dr. Markus Raupp, Stuttgarter Straßenbahnen AG, referierte über die Rolle von mobilen Anwendungen im ÖPV-Vertrieb. Von den Ausführungen zum betrieblichen Hintergrund ist hervorzuheben, dass in den letzten 10 Jahren die Fahrgastzahlen um 14% und die Einnahmen um 48% gestiegen sind. Die vertrieblichen Herausforderungen der Zukunft können nur über einen konsequenten Ausbau des Online-/Mobile-Vertriebskanals bewerkstelligt werden. Die Herausforderungen sind zu sehen in der Qualitätssicherung im personenbedienten Vertrieb, der Nutzung des Potenzials des Internets und der Ausschöpfung des Mengenpotenzials im Berufsverkehr. Die Herausforderungen sind zu meistern durch erreichen folgender Ziele: Über die Menge den Umsatz steigern, Prozesse effizienter gestalten, Qualität verbessern. Ein wesentlicher Ansatz zur Erreichung der vertrieblichen Ziele ist eine konsequente Vertriebskanalsteuerung. Hierzu ist die Ausrichtung der Internetseite an den Kundenbedürfnissen ein wichtiger Schritt in Richtung eines kundenorientieren Vertriebs. Ebenso ist die Integration der Fahrplanauskunft für den Online-Vertrieb zwingend notwendig, da mit der Kundeninformation die Kaufentscheidung fällt. Auch alternative Zuführungskanäle wie Google sollten nicht außer Acht gelassen werden, da weitere Potenziale erschlossen werden können. Die Einführung des eTicketing ist ein konsequenter Schritt in Richtung elektronischer Vertrieb. Vom Print- über HandyTicket, eTicket / Abo-Chipkarte zum ID-Ticket ermöglichen die Bausteine eines elektronischen Vertriebs eine Prozessverlagerung aus dem personenbedienten Vertrieb hin zum Kunden-Self-Service. Im Projekt Stuttgart Services wurde innovative Chipkartentechnologie bereits erfolgreich getestet, aber auch einer Smartphone-App kommt hohe Bedeutung zu. In Zukunft soll Stuttgart Services ein vollumfängliches Angebot für die Nutzer wie aus einer Hand anbieten, das auch nutzerfreundlich als App abgebildet werden kann. Hier werden TICKeos, moovel und Stuttgart Services integriert, um das Spektrum der Kundenanforderungen hinsichtlich multimodaler Auskünfte und multifunktionalem Ticketverkauf abzudecken. Auf Basis bisheriger Erfahrungen können eine Reihe von Erfolgsfaktoren festgehalten werden: einfaches Fulfillment für den Kunden, ganzheitliche Informationen verbunden mit Ticketkauf.
In den drei Foren wurden NFC-Eco Systems, die KA-Zertifizierung und Personas, eine Methode, sich den Bedürfnissen und Wünschen der Fahrgäste zu nähern, intensiv diskutiert. Details sind den Impulsreferaten und dem Podcast zu entnehmen, die im Konferenzbericht Mainz eingestellt sind.
Als Fazit der 49. Kontiki-Konferenz stellte Horst Stammler fest, dass Fahrgastinformation und Ticketing noch enger zusammenwachsen müssen. Der ÖPNV und sonstige Services innerhalb und außerhalb der Mobilität müssen multifunktional für den Fahrgast zur Verfügung stehen. Die Vernetzung von Konzepten, Nutzern und Technologien führt zu Innovationen, zur Erforschung und Entwicklung integrierter, sicherer und nachhaltiger Mobilitätslösungen.