Staatssekretär Rainer Bretschneider, Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft Brandenburg, betonte, dass das Land den ÖPNV vor allen anderen Modi der Mobilität favorisiert. Die Landesregierung unterstützt die Aufgabenträger, die in eigener Verantwortung über die Mittelverwendung zur Optimierung des Verkehrs entscheiden. In enger Zusammenarbeit zwischen Landesregierung, Berliner Senat und dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg als Mittler ist es gelungen, die erforderlichen Ergebnisse und Kompromisse zu erzielen, um einen Verbundraum für zwei Bundesländer zu gestalten.
Hans-Werner Franz, Geschäftsführer des VBB, Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, machte deutlich, wie steinig der Weg zum Erfolg war. Der erhebliche Unterschied in der Bevölkerungsdichte (4,5 Mio. Einwohner auf der relativ kleinen Fläche Berlins und 1,5 Mio. im Land Brandenburg) stellt hohe Anforderungen an ein verbundweites Verkehrssystem und an ein EFM. Bemerkenswert sind nach Aussagen von Franz die Qualitätsverbesserungen im Verkehr, die aus dem Wettbewerb bei Ausschreibungen resultieren. Von 2000 bis 2011 wuchs die Zahl der Fahrgäste im VBB um 20%, die Einnahmen stiegen um 50%. Für den VBB gelte: Angenehm und einfach mit dem ÖPNV. Ein weiterer Schritt hierzu wird das eTicketing sein.
Sarah Böhm, ViP, Verkehrsbetrieb Potsdam GmbH, hob hervor, dass sich die ViP der Herausforderung „Potsdam wächst“ mit aller Konsequenz stellt. Dazu gehören Niederflurfahrzeuge, Haltestellen, Service und mehr. Kundenbefragungen werden regelmäßig durchgeführt. Mit Touch&Travel steht ein einfaches eTicketing zur Verfügung und eine klare Abrechnung und Einnahmenzuordnung ist gegeben. Die Interoperabilität ist ein erheblicher Zusatznutzen. Gegenwärtig läuft ein Pilotverfahren für die VBB-fahrCard, der Rollout ist für den 1.1.2013 geplant.
In seinem Erfahrungsbericht zum (((eTicket im VBB hob Dr. Matthias Stoffregen hervor, dass ein Großprojekt wie die VBB-fahrCard eine komplexe Projektstruktur erfordert, da die Vielzahl von Sachanforderungen und die große Zahl von beteiligten Verkehrsunternehmen mit sehr unterschiedlicher technischer Ausstattung eine differenzierte Projektplanung, aber auch eine intensive Projektsteuerung, erfordern. Von den Lerneffekten aus der Projektabwicklung stellte Stoffregen besonders heraus:
- KOSE-Anbindung ist ein Muss
- Sicherheitsmanagementvertrag unentbehrlicher Bestandteil des Vertragsbündels
- Prüfung der Kontrollprozesse zur Gewährleistung der Anwendungssicherheit bei höherer Marktdurchdringung
- Stufenweise Einführung: produkt-, regionalbezogen und bezogen auf die einzelnen Verkehrsunternehmen
Projektziele können so funktional und termingerecht erreicht werden.
Lars Kramer, BVG, Berliner Verkehrsbetriebe, stellte die (((eTicket- Erfahrungen der BVG vor. Als wesentliche Voraussetzung einer erfolgreichen Realisierung der Projektziele sieht er die klare Anforderungsdarstellung der Kunden [funktional] und des Betriebs [wirtschaftlich]. Die BVG plant, bis 2022 das eTicketing in vier Stufen vom elektronischen Fahrschein bis zur VDV-KA-konformen automatisierten Fahrpreisberechnung zu realisieren. Die dargestellten Lessons Learned stellen Potentiale für die Systeme dar:
- Überall und jederzeit „bedarfsgerecht“ verfügbar: Internetportale
- „Tür zu Tür“-Service. Die Grundlagen für die Interoperabilität sind technisch gelegt.
- Geschäftsprozessdefinitionen erlauben, Systeme einheitlich auszuprägen.
Darüber hinaus konnte Kramer nennen: Verbundübergreifende Testverfahren, Adaption der Tarifdatenstrukturen an die Prozessdefinition, Kundenforderung nach verstärktem Online-Service.
Dr. Marcus Gemeinder, DB Mobility Logistics AG, erklärte, dass die Nutzungsbereiche von Touch&Travel ständig durch die Deutsche Bahn erweitert werden. Die Wiedererkennbarkeit im Marktauftritt bei Website, Kontaktpunkten, Apps, Newsletter und Rechnung ist ein allgemeiner Lerneffekt. Kontinuierliches Kundenfeedback ist nötig, um Marktansprüchen gerecht zu werden. Die Plattformvielfalt erzeugt dauerhaften Anpassungsaufwand. Die verschiedenen Mobilfunk-Anbieter haben unterschiedliche Funktionalität in der Selbstortung. Flexibel anpassbare Eingangskanäle und ein leistungsfähiges Hintergrundsystem haben sich als Notwendigkeit herausgestellt.
Markus Omers, Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, zeigte, wie (((eTicket in ganz NRW in Lern-Schritten zum Erfolg wurde. Im Laufe von 12 Jahren gab es folgende Probleme:
- Die Haltbarkeit der Chipkarten
- Angebliche Zerstörung der Chipkarte und die Weitergabe zur Fremdnutzung
- Das Anwachsen der Sperrlisten in überdimensionale Größen
Aber auch ungenutzte Potentiale wurden offensichtlich: Zu viele Hintergrundsysteme, viele Gerätehersteller, Beschränkung auf EFS für Abos, Abbildung des existierenden Tarifs, neue Software für die Terminals, Anpassung der Hintergrundsysteme auf VDVKernapplikation, Einbindung der Verkehrsunternehmen in das Sicherheitsmanagement der KA. Omers fasste zusammen: Marketing ist im Vordergrund, nicht die Technik; Zentral, nicht versprengt wird gearbeitet; und Wirtschaftlichkeit, nicht (allein) Subvention, führen zum Ziel eines landesweiten EFM.
Für Jörg Puzicha, Rhein-Main-Verkehrsverbund Servicegesellschaft, ist das verbundweite mandantenfähige Hintergrundsystem der Königsweg zum einheitlichen Servicekonzept. Der RMV hat die organisatorische Herausforderung trotz der differenzierten Struktur des Verbundes angenommen. Eine Informations- und Vertriebsplattform für den gesamten RMV ist das Ergebnis. Die Vorteile sind wirtschaftliche Effizienz, zeitgleiche Einführung im Verbundgebiet, erleichterte Weiterentwicklung für neue Produkte und VDV-KA, Stufe 3. Das vHGS ist gemeinsame Vertriebsplattform mit zentraler Verwaltung der Kundendaten, gemeinsame Datenplattform und Kontroll- und Vertriebsinfrastruktur. Das mandantenfähige vHGS ist eine notwendige Basis für ein verbundweit einheitliches Servicekonzept, da eine Verknüpfung von sehr vielen unterschiedlichen Vertriebssystemen über Online-Schnittstellen technisch und organisatorisch sehr anspruchsvoll ist.
Sjef Janssen, VDV-Kernapplikations GmbH & Co. KG, berichtete in seinen (((eTicket Deutschland News, dass die VDV-KA eine Smartphone-Strategie entwickeln wird. Im Auftrag von 70 Verkehrsunternehmen wurde eine Chipkartenausschreibung herausgegeben. Teilnehmerverträge für die VDV-KA wurden bisher von 136 Unternehmen unterschrieben.
Martin Runkel, Regio-Verkehrsverbund Freiburg, berichtete über das Handy Ticket fanta5. In einem Gebiet von 7000 Quadratkilometern mit 1,6 Mio. Einwohnern bietet fanta5 interoperablen Verkehr in fünf verschiedenen Verkehrsverbünden. Der Kunde meldet sich einmalig an, gibt lediglich Start- und Zielort ein – keine Tarifkenntnisse vorausgesetzt – und bezieht in fanta5 Fahrausweise für verbundinterne und verbund-übergreifende Relationen über das Handy in einem Kaufprozess. Angeboten werden sowohl Produkte der Verbünde als auch Produkte der DB. Einfachheit für den Kunden ist mit komplexen Hintergrundstrukturen verbunden. Beteiligt sind 5 Verbünde, 11 Verkehrsunternehmen, das Land Baden-Württemberg und externe Partner.
Dr. Alexander Dix, Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, stellte erste Erfahrungen des Datenschutzes mit eTicketing vor. Die VDV-Kernapplikation ist datenschutzkonform. Sie entspricht im Grundsatz den datenschutzrechtlichen Vorgaben, vor allem wegen der anonymen Nutzungs- und Bezahloptionen (prepaid) und dem ausschließlich pseudonymen Austausch von Abrechnungsdaten. Erste Praxiserfahrung mit Touch&Travel: Die Nutzer müssen sich mit der GPS-Ortung und Weitergabe an DB einverstanden erklären, An- u. Abmeldung ist bei Fahrtantritt und – ende erforderlich, Standortdaten werden max. 55 Tage gespeichert. Hauptproblem ist, dass es noch keine anonyme Nutzungsoption gibt. Das widerspricht dem Grundgedanken des § 3a BDSG. Die DB ist in der Pflicht, anonyme Nutzungsmöglichkeit vorzusehen. Als vorrangiger oder gar alleiniger Verkaufsweg für DB-Tickets wäre Touch&Travel unzulässig. eTicketing-Verfahren ohne minutiöse Wegstreckenaufzeichnung (z.B. INNOS) sind vorzuziehen. eTicketing- Systeme müssen das Recht des Einzelnen, spurlos öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, von vornherein berücksichtigen. Die VDVKernapplikation genügt diesem Anspruch.
Jörg Landefeld, Daimler AG, demonstrierte mit moovel ein generelles System der Mobilitätsunterstützung durch Kombination aller Modi der Fortbewegung. Auf der Basis von Web und notwendigen Apps bietet moovel eine Wegeplanung vom Startpunkt bis zum Ziel. Die Möglichkeit zum Ticketkauf ist ebenso im System vorhanden wie die Bestellung eines Taxis. Das System bietet dem Benutzer den Vorteil, Zugang zu den verschiedensten Providern über einen Account zu bekommen. Der Schutz aller persönlichen Daten ist gewährleistet.
Horst Stammler, der neue Vorstandsvorsitzende von Kontiki, hielt abschließend fest, dass die Teilnehmer die in den Vorträgen und Foren gesammelten, bewerteten und verdichteten Erfahrungen, Entwicklungen, Hinweise, aber auch Fehler und Risiken, intensiv und freimütig zu offener Diskussion genutzt haben.