Dr. Hermann Paßlick, Verbandsvorsteher des NWL, hob hervor, dass für die Mitglieder des Zweckverbandes Nahverkehr Westfalen-Lippe, des Aufgabenträgers aus der Region, EFM eine wesentliche Herausforderung ist, um die Zugangshürden zum ÖPV – Informationsmangel, Intransparenz, unübersichtliche Tarife – zu überwinden. Das ist besonders im ländlichen Bereich wichtig. Steigende Fahrgastzahlen und die konsequente Weiterentwicklung eines westfälischen Gemeinschaftstarifs bis hin zum WestfalenTicket stehen auf der Agenda. Die Zukunft sieht der NWL in der „Mobilität in der Tasche“, multimodal und bargeldlos.
Dr. Henning Müller-Tengelmann, Kfm. Geschäftsführer der Stadtwerke Münster, betonte, dass die Struktur des integrierten Stadtwerkekonzerns für den Bereich Verkehr von Nutzen ist. Immerhin sind 90 % der Haushalte Kunden der Stadtwerke, was auch eine starke Kundenorientierung im ÖPNV bewirkt. Mit Innovationen einer verstärkten Kundenorientierung konnten die Stadtwerke Münster die Zahl der Fahrgäste von 32 Mio. auf 38 Mio. pro Jahr steigern. Ziel ist, mit der Multiapplikationskarte im ÖPNV nicht bei der Daseinsfürsorge stehen zu bleiben, sondern die Menschen im Alltag und in der Freizeit mit attraktiven Angeboten zu begleiten und somit den Ertrag zu steigern. In Zukunft soll es darauf ankommen, den ÖPNV für Jugendliche noch attraktiver zu machen.
Reinhard Schulte, Leiter Nahverkehrsmanagement der Stadtwerke Münster, berichtete über die neue PlusCard und ihre Bedeutung für Münster. 300 000 Einwohner nutzen mehr als 500 000 Fahrräder. Im Modal Split liegt der ÖPNV mit 12% noch weit hinter dem Fahrrad mit 38%. Fahrradfahren überwiegt bei Schönwetter und ist ein ständiger Wettbewerber, auch beim Preis. Ein strategisches Ziel der Stadtwerke ist, im ÖPNV mittelfristig 15 % Marktanteil bei weiterhin hoher Kundenzufriedenheit zu erreichen, wobei das Wachstum auf Kosten des motorisierten Individualverkehrs erfolgen soll. Die neue PlusCard ist intelligent und einfach und bietet alles auf einer Karte: Mobilitätsvernetzung von Bus, Taxi, Bahn, Parken, Carsharing, Elektro-Mobilität – das bedeutet multimodale Mobilität. Ergänzt wird das Angebot durch den bundesweit ersten dynamischen Tarif, durch Informations- und Buchungsportale und viele weitere Serviceangebote aus Kultur- oder Sportbereich. Aber auch kommerzielle Partner sollen mit eigenen Services auf der Stadtwerke PlusCard vertreten sein.
Die größten Herausforderungen im Projekt waren die noch nicht vollständige Standardisierung, noch nicht vollständig entwickelte Komponenten, das Zusammenspiel der Industriepartner und mangelnde Ressourcen und die Entwicklung des dynamischen Tarifs mit den regionalen Verkehrsunternehmen sowie die Zertifizierung.
Frederick Koddenberg, Leiter Verkehrsmarketing der Stadtwerke Münster, erklärte, was bei der eTicket-Inbetriebnahme zu beachten ist:
- Kommunikation des eTickets für Fahrgäste, Busfahrer, Personal und Management muss klar und verständlich sein.
- Wissen schaffen durch Workshops, Fragenkataloge, eTicket-FAQ-Almanach, Auswahl geeigneter Medien.
- Das eTicket-Netzwerk darstellen und realisieren, z.B. Abrechnungsverfahren, Einzelverbindungsnachweis, Einspruchsmöglichkeiten, Service, Clearing.
- Flexible Schulung planen und durchführen, Projektzeitverschiebungen berücksichtigen, Übergangslösungen vorsehen, Kurzanleitungen bereitstellen.
- Tests der Abläufe und Geräte in Pilotgruppen aus Gelegenheitskunden durchführen.
- Befragungen der Kunden zur Projektverbesserung nutzen, z.B. Akzeptanz, Qualität, Produktgestaltung, Lesegeräte, Abrechnung.
- Fit halten durch Eigentraining für verständliche Kommunikation, keine Abkürzungen, keine unbekannten Fachbegriffe, kundenfreundlicher Support.
- Alle Datenschutzanforderungen erklären und ihre Umsetzung im System darstellen.
- Vorausplanung der Interoperabilität in Produkten, Infrastrukturen und speziellen Funktionen/Abläufen.
- Mut zu einfachen und bequemen Anwendungen der eTicket Welt.
Fazit: Einfachheit kommunizieren und den Kunden begeistern führt zum Erfolg der neuen multimodalen Mobilität mit den vielen weiteren Serviceangeboten.
Nach einer Übersicht über die Struktur der Stadtwerke Augsburg stellte Thomas Bold, Leiter Marketing & Vertrieb, das eTicket als Komponente der swa- Kundenkarte vor. Die KAROCARD wurde konzipiert als kostenloses Kundenbindungsinstrument zur Wettbewerbsabgrenzung im Energiebereich, zunächst als Vorteilskarte mit etwa 2000 Marktpartnern, die Kundenrabatte gewähren. Die Karte war für die Funktionen Kundenkarte, Zutrittskontrolle, Catering, Parken und Zeiterfassung ausgelegt. Seit 2007 wurde die Karte für die VDV-KA-Technologie und für eTicketing-Abos ausgelegt. Nach kurzer Entwicklungszeit und der Modernisierung der Automaten wurde das eTicket eingesetzt. 2009 erfolgte die Funktionserweiterung zur Bezahlkarte KAROpay im neuen Fußballstadion. Seit August 2011 wird die Karte zum Fahrradverleih eingesetzt. Heute ist sie auch Flatrate-Karte für das Aufladen von Elektrofahrzeugen an 11 Ladestationen im Stadtgebiet. Die Entwicklung zur City Card ist geplant. Die KAROCARD wird zur VDV-KA-Karte migriert, als weiteres Trägermedium sind Smartphones geplant. Für die KAROCARD wird ein intensives Marketing auf vielen Kanälen betrieben. Die zentrale Aufgabe der Kundenbindung wird voll erfüllt. swa machte die Erfahrung, dass die Komplexität des Projekts stark unterschätzt wurde. Bei der Umsetzung wurden die Prozesse den Systemen angepasst.
José Luis Castrillo, Via Verkehrsgesellschaft mbH, schilderte die Ausgangssituation des vorhandenen elektronischen Semestertickets und des Vertragsdreiecks Verkehrsunternehmen – Universität – Asta. Auf der multifunktionalen Chipkarte ist Verkehr nur eine von acht Funktionen. Das eTicket ist eine Ergänzung der vorhandenen Chipkarte der Universität, kein originäres eTicket-Medium. Das eSemesterTicket ist in die VRR-Prozesse integriert. Ein permanentes Testsystem ist erforderlich, ebenso ein Fehleranalyse- Tool und eine Rückfallebene. Die Geschäftsprozesse müssen an kleinteilige Vertriebssysteme angepasst werden und zur weiteren Entwicklung des Nutzermedien-Spektrums und der Mehrwertdienste führen.
Etienne Graindor, Manager Belgian Mobility Card, zeigte auf, mit welcher Kartenstruktur Multimodalität / Multifunktionalität von BMC, einer Tochtergesellschaft der vier Verkehrsbetreibergesellschaften in Belgien, realisiert wird. BMC hat insbesondere die Aufgabe, eine multinationale Interoperabilität zu entwickeln, hauptsächlich mit Frankreich, Luxemburg und Deutschland, unter Verwendung der TRIANGLE Funktion, einem gemeinsamen Sicherheitsschlüssel für den kommerziellen Gebrauch einer vor Ort ausgestellten Karte. Die im Detail vorgestellte Struktur der MOBIB-Karte verfügt über eine elektronische Geldbörse und ermöglicht u.a. Interoperabilität zwischen den Betreibern der Verkehre, dem Parken, der Fahrradausleihe. Alle Tickets können auch als eTicket benutzt werden, weitere kommerzielle Anwendungen sind geplant.
Till Ponath, Leiter Marketing des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr, stellte als Ziel der Marketingstrategien für eine multimodale Mobilität die Erhöhung des Marktanteils für das Produkt Mobilitätsdienstleistung in den Vordergrund. Grundsätzlich ist die Ausgangslage des ÖPNV gegenwärtig gut, da hohe Kosten und ein deutlicher Statusverlust die Konkurrenzfähigkeit des Autos im Modal-Split deutlich herabsetzen. Der ÖPNV hat sich bei seinen Strategieplanungen vor allem mit Zugangshemmnissen und seiner fehlenden Flexibilität auseinanderzusetzen. Die Wahl des Transportmittels verlangt vor allem, das Spektrum an verfügbaren Möglichkeiten im Bewusstsein des Kunden zu verankern. Gute multimodale Information ist keine Kür, sondern notwendige Pflicht. Ein Weg zum Kunden sind dabei Informationen über sämtliche Mobilitätsangebote, die auf der aktuellen Verfügbarkeit unterschiedlicher Modi beruhen, um die Wechselbereitschaft der Kunden zu steigern. Eine Chipkarte als „Türöffner“ für alle Modes? In Zukunft wohl auf dem Smartphone mit Auskunfts- und Ticket-App. EFM bietet Chancen sowohl für Zugangserleichterung als auch für tarifliche Verschränkung.
Mit seinem Impulsvortrag zur Podiumsdiskussion machte Gerhard Probst, Probst & Consorten, deutlich, dass zunächst das Geschäftsmodell festgelegt werden muss. Im Vordergrund steht die Aufgabe, die letzte Meile zum Kunden zu überwinden. Partner auf der multimodalen Karte könnte der Hebel sein, speziell die vielen Selten-Nutzer zu finden und zu erreichen: Multiapplikationen ist kein Selbstzweck, sondern muss das Kerngeschäft unterstützen und die Tarifwelten zusammenbringen. In der Podiumsdiskussion wurden die vielen Fragen der Multiapplikation wie z. B. die Kundenakzeptanz, Kernkompetenzen oder die hochgradige Vernetzung von Systemen, Open Data und neue Geschäftsmodelle vertieft.
Dr. Markus Raupp, Leiter Marketing, Stuttgarter Straßenbahnen AG, präsentierte das Projekt „Stuttgart Services“ als Leitprojekt des Antrages des Landes Baden- Württemberg im Rahmen des Wettbewerbs „Schaufenster Elektromobilität“. Zum Nutzen des Kunden und zur Stärkung des Nachhaltigkeitsverbundes ist geplant, den ÖPNV, individuelle eMobilität, Bezahlfunktion und städtische Dienstleistungen in Stuttgart auf einer Plattform zu integrieren. Einfacher Zugang zum ÖPNV, Schaffung von Zusatznutzen zur Kernleistung, Mengensteigerung durch attraktive Konditionen und Kundenbindung werden erreicht. „Stuttgart Services“ umfasst Multimodalität, eTicketing, Elektromobilität, vertriebliche Herausforderungen und die Einbindung vieler Partner und Dienstleistungen. Zu erfüllen sind eine einheitliche Schnittstelle zum Kunden für eine Vielzahl von Trägermedien, eine intelligente Vernetzung und Integration der vielen Funktionen. Vision ist die Weiterentwicklung des eTicketing nach VDV-KA und die konsequente Automatisierung der Vertriebsprozesse.
Sjef Janssen, VDV-Kernapplikations GmbH & Co. KG, präsentierte die (((eTicket Deutschland News. Er gab den aktuellen Stand der Zentralen Systeme und Releases an, zeigte die Deutschlandkarte mit aktuell 170 Verträgen und gab dann einen ausführlichen Überblick über eTicketing in Europa und den Status der Standardisierung. Ein landesweites eTicketing gibt es in den Niederlanden, in Planung ist es in Belgien, Luxemburg und Dänemark. Europa geht in Richtung offener Standards. Multimodalität und Multiapplikation, Verknüpfung von Reiseinformation und Ticketing mit Hilfe des Smartphones setzt sich durch.
Anne Grünkorn, DVB LogPay GmbH, und Torsten Uhe, Atos Worldline, sprachen in einer Einführung zu SEPA (Single Euro Payment Area) über die arbeitsintensiven und kostenträchtigen Konsequenzen des ab Februar 2014 obligatorischen SEPA Verfahrens für die Verkehrsunternehmen. Grundlegende Anforderungen an das SEPA Lastschriftverfahren sind das Erzeugen von SEPA konformen Datenformaten, Umwandeln der bestehenden Einzugsermächtigungen in ein SEPA Mandat und Erzeugen einer Mandatsnummer. Eine Vorankündigung des Lastschrifteinzugs ist gefordert, ein nachweisbares Mandat ist erforderlich für die Migration von Bestandskunden. Vertriebskanäle müssen in ihren Abläufen an die SEPA-Anforderungen angepasst werden. Der Hinweis, mit den erforderlichen Änderungen in den Prozessabläufen rechtzeitig zu beginnen, sollte ernst genommen werden.
Oliver Waltes, VDV-Kernapplikations GmbH & Co. KG, stellte IPSI (Interoperables Produkt-Service Interface) für Smartphones, vor, das als unterstützendes System den Wettbewerb von Vertriebskanälen ermöglicht. Die Kunden können mit nur einer Registrierung regionsübergreifende Ticket-Angebote nutzen. Damit verbunden sind Apps und weitere Vertriebskanäle. IPSI unterstützt sowohl den haltestellenbasierten als auch den produktorientierten Verkauf, dabei ist IPSI nur Verbindung zwischen den Elementen der Kernapplikation. Waltes erläuterte die Funktionsweise von IPSI am KA-Rollenmodell. Selbstverständlich kann das System nur Reiseketten unterstützen, wenn auf allen Teilstrecken ein Produkt definiert bzw. bekannt ist. Heute werden 5 bis 6 % der HandyTickets interoperabel genutzt. Der Start von IPSI ist für Anfang 2015 geplant.
Die Podiumsdiskussion zur Smartphone-Strategie der VDV-KA wurde mit dem Statement begonnen, dass 7 % des gesamten deutschen Ticketabsatzes per HandyTicket abgebildet werden sollen. Einzeltickets und Tageskarten laufen heute schon gut, bei hochpreisigen Zeitkarten sind noch Bedenken beim Bezahlen zu überwinden. Mehr Kommunikation und Marktentwicklung sind notwendig. Die Durchgängigkeit der Information von der Anfrage bis zum Kauf des Tickets ist wichtig.
In den Foren wurden eine Studie zur Umsetzung von multimodalen Mobilitätskonzepten vorgestellt. Das Fahrradsystem der Mainzer Verkehrsbetriebe, ein sehr erfolgreiches Projekt, war ein weiteres Thema. Das ID Ticketing auf VDV-KA-Basis wurde anhand eines sehr ambitionierten Projektes in Stuttgart dargestellt. Es war der Blick in eine andere Richtung, die sehr intensiv und kontrovers diskutiert wurde.
Als Fazit der Konferenz wurde festgestellt, dass ein reines eTicket nur für den ÖPNV nicht mehr zeitgemäß ist, der Kunde erwartet mehr. Die Mobilitätskarte ist der Schlüssel zu multimodaler Mobilität und Multiapplikation, wobei der ÖPNV die Basisdienstleistung erbringt.